Es ist Samstag der 04. Februar und die Bernstädter Dachse laden zum Spitzenspiel in der Verbandsliga Ost ein. Es geht um nicht weniger als den zweiten Platz in der Tabelle und ebenfalls um ...
eine Revange. Denn das Hinspiel verloren die Lokführer aus Dresden mit zwei Kohleschippen zu wenig. Doch der Ruß war längst verflogen, alle Videos ausgewertet und die Feldkantine frisch gefettet. Beste Voraussetzungen. Kurzerhand wurde der ESV Fuhrpark geplündert und die Mannschaft rollte in Ermangelung eines Bahnhofs mit der hauseigenen Q7-Flotte Richtung: OSTEN.
Der Osten, da wo er am grausamsten ist. Rechts Tschechien, links Deutschland. Hier leben arbeitsfähige Männer jahrelang allein von Bier und artverwandten Elixieren. Junge Mütter ernähren sich von der Nachgeburt ihres siebten Kindes und wissen nicht, was dann kommt. Der Osten. Blühende Landschaften in den Gesichtern am Glascontainer. Es waren vierzehn junge Burschen, die extra von Dresden rüberkommen wollten, um der Welt zu sagen, dass sie das einfach ziemlich geil finden, was dort so abläuft.
In der Halle hinter'm Glascontainer angekommen wird direkt klar, hier wird das VerpackungsGesetz Abschnitt7 §33 ernst genommen. Statt billiger Plastikbecher, wird der Kaffee in Pötten ausgeschenkt. Hömma Schön! In der Schlange am Kaffeeautomat fällt dem wartenden Betrachter außerdem auf: hier gibt es tatsächlich Fans! Und zwar einige. Mit klapprigen Trommeln, heiseren Kehlen und schiefen Bannern wurde schon beim beidseitigen Einlaufen gezeigt, dass evtl. eine gewisse Vorfreude auf das Top-Duell bestünde.
Doch was zu Beginn der Partie passah, war weniger Spitzenduell als nervöses Bälle Verlieren. Erst nach knapp drei Minuten konnte der Torreigen durch die linke Zauberpfote des heutigen ESV Hauptkohleschippers eröffnet werden. Es folgte der Einstiegstreffer von unserem neuen Mann Tim Knopf, der sich im dritten Spiel endlich auch in die Torliste eintragen konnte. Dank konzentrierter Abwehrarbeit erhöhte sich der Vorsprung innerhalb der ersten zehn Minuten auf drei Tore und brachte ein erstes Gefühl von vermeintlicher Sicherheit ins Spiel. Doch wer den ESV kennt, weiß, hinter Vorsprüngen geht es meist steil bergab. Es wurden Bälle erobert und vorn gekonnt wieder weggeworfen. Der Spielstand hielt sich zwar vorerst auf einem lockeren zwei Tore-Kissen für die Gäste. Doch mit zunehmender Spielzeit schien der Dachsbau aufzuwachen. So wurde dem ein oder anderen ESV-Promi ein Ständchen geträllert, was scheinbar Wirkung zeigte. Kurz vor der Halbzeit war es dann so weit: Der Ausgleich. Nervosität machte sich bei den Bahn-Fahrenden breit. War doch allen klar, dass die letzten Spiele durch eine gute erste Halbzeit entschieden wurden. Um das Spiel also nicht kippen zu lassen, zog unser Prellbock die Notbremse und schleuderte den unangeschnallten gegnerischen Rechtsaußen von seinem Sitz. Gute Besserung an der Stelle und trotzdem schönen Skiurlaub. Wir konnten den Ärger seiner Frau im Übrigen durchaus nachvollziehen und haben dafür zur Strafe des Übeltäters Handtuch gemeinschaftlich in der Kabine versteckt. Außerdem wird sich der ESV politisch engagieren und eine Petition für eine Gurt- und Helmpflicht in der VLMO einreichen. ... Versprochen.
Da die erste Halbzeit durchschnittlich war, musste eine gute Zweite nachgeschoben werden. Der Ofen wurde hochgeheizt und der Kessel auf Druck gebracht. Leider verpufften die Angriffswölkchen genauso schnell wieder im Gegenwind der Gastmannschaft, wie sie aufgebaut wurden. Glücklicherweise war das die Phase, in der Robin Kuhfänger begann die benannte Kuh vom Eis zu holen. Ohne Wechselmöglichkeit mauserte sich der Mann zwischen den Pfosten zu einem Faktor der Partie und war entscheidend am neuerlichen Wegziehen zum 20:23 mit einem Konterpass zur 50. Minute beteiligt. Was dann passierte waren wohl die dunkelsten zehn Minuten der diesjährigen Bahner-Saison. Denn das rollende rote Gleisgefährt des ESV schlitterte in eine harte Rezession. Tore Mangelware. Glaubt mir, wenn es im Handball Minustore geben würde, hätten wir auch das bestimmt irgendwie hingekriegt. Man könnte sich herausreden mit „die Schiedsrichter haben ein Tor nicht gegeben“ oder „das war überhaupt kein Stürmerfoul“, aber hey ein mittelkluger Mann sagte einmal: "wäre wäre Fahrradkette". Naja am Ende stehen einfach zu viele hätte, wenn's und aber's ... und die Boygroup aus der mittelsächsischen Talsohle muss sich leider eingestehen: „War ni so dolle von uns“. Das einzige Glück war, dass auch die Bernstädter Dachse in den letzten vier Minuten nicht mehr trafen und uns gönnerhaft einen Punkt als Entschädigung für die lange Anreise schenkten.
Dass sich die Erde um Bernstadt als Rotationsachse drehen solle, hielten für einen orthographischen Übertragungsfehler in den historischen Aufzeichnungen des Bernstädter Stadtarchivs:
Tim Knopf (4), Gleißbett (3), Thomas die Lokomotive, Reiseapotheke (1), Schlagbaum (3), Liegewagen (1), Zug-Pirat, Abteilungskumpel (1), Prellbock (1), Kuhfänger, Board-Bistro, Hauptkohleschipper (11), Stellwerk Niedersedlitz, Kupplungskleberin, Canadian Railways