Wenn es draußen immer kälter wird, der süße Duft von Glühwein und Keksen in der Nase liegt, die funkelnden Lichter über der Stadt und die Elfen über's Parkett schweben - dann ist Adventszeit im Lok-Schuppen. Der letzte Heimspieltag des Jahres, der erste Spieltag der Rückrunde und immer wieder komme ich in diese Halle und fühle mich direkt vertraut, geborgen und daheim. Warum das so ist?
Weil hier die ganze Handball-Familie zusammen kommt. Schon auf dem Weg vom Parkplatz ins traute Heim höre ich die ersten anfeuern:
#1: die Fans: die in die Halle kommen, um ihrem Team jederzeit beizustehen und es in ausschließlich vereinslogobasierten Klamotten lautstark zu unterstützen. Spielfreie Wochenenden und kurzfristige Spielabsagen lehnen sie genauso ab wie zu wenig Entfaltungsmöglichkeiten für all ihre Trommeln, Rasseln und Plakate.
Angekommen in der Halle laufe ich schon den nächsten Familienmitgliedern entgegen, die mit einem Auge auf der Uhr schon darauf warten, dass ihre Elfen-Schützlinge ihre müden Knochen mal so langsam in Gang bringen:
#2: die Trainer-Bande: Sie sind schon im echten Leben Vollzeit eingebunden, haben gleichzeitig 6 Projekte am Laufen und finden, sie müssten in ihrer Freizeit unbedingt noch mehr mit anderen Leuten in Kontakt kommen. Sie setzen sich für Übungseinheiten ein, bei denen jede Position auf ihre Kosten kommt, sie filtern unsere Stärken und Schwächen heraus und heizen uns mit Ansprachen vor und während des Spiels ordentlich ein. "So. Heute Riesa. Absolut keine Unbekannte. Das Hinspiel ging gefühlt viel zu deutlich gegen uns aus. Deshalb in der Abwehr ordentlich zupacken und mit dem hinten getankten Selbstbewusstsein vorne die Dinger rein nageln. Wir glauben an euch. Also glaubt auch an euch und wenn ihr eure positive Stimmung auf die Platte bringt, dann besteht durchaus die Möglichkeit die Riesaer Nudeln al dente zu kochen" Sie glänzen besonders darin uns mit Taktiktafeln so richtig Profi zu fühlen und wissen: ein Spiel dauert immer 60 min - eine Feedback Gesprächsrunde dazu allerdings auch.
Während sich die ersten dann schon warmlaufen, müssen sich andere damit begnügen, von der Bank, Bande oder gar von zu Hause aus das Spiel zu verfolgen:
#3: die Verletzungs-Geplagten: ein besonders geschundenes Produkt der handballerischen Evolution. Sie können sich kaum bewegen unter all ihren Orthesen, leuchten dabei aber in allen Farben des Tape-Sortiments und riechen noch dazu auffallend nach wandelnder Apotheke. Ein Leben so ganz ohne Handball ist aber absolut undenkbar und vor allem sinnlos. Sehen auch die aktuell Krankheits-Geplagten so, die leider heute dazu verdammt waren, rein mit positiven Gedanken auf’s Spiel einzuwirken.
Nachdem sich nun alle verfügbaren Elfen warmgehopst, angeschwitzt und eingeworfen haben, standen sich dann auch pünktlich 17:15 Uhr beide gegenüber:
#4: die Teams: Besonders nach noch sehr kurzfristigen Absagen zum Spiel hieß es jetzt - Elfen zusammenkratzen. Was haben wir gesucht. Überall! Unterm Bett, hinterm Schrank... im ganzen ESV-Vereinsmitgliederverzeichnis. In Summe haben wir auch heute wieder ein buntes Potpourri aus Flügelflitzern, Wurfmaschinen, Abwehrgranaten, Kampfsäuen und Torabwehrmaschinen zusammengestellt. Dann kann es doch los gehen.
Die Riesaerinnen starteten mit 2 einfachen Toren, wir zogen prompt mit einem Doppeltorerfolg nach und das Statement war klar: Wir können! Allerdings können die Gegnerinnen auch und das stört dann doch schon noch ein bisschen. Immer wieder errungen sie die Führung, wir zogen nach und ca. 15 Minuten zeigten wir einen Schlagabtausch auf Augenhöhe (8:9). Dann jedoch verloren wir im Angriff immer wieder den Faden, luden die Gästinnen zu einfachen Gegentreffern ein und nach einem 10:0 Lauf für die Riesaer Mädels und 10 absolut torlosen Minuten für unsere Elfen sah es 5min vor Halbzeitpfiff bereits nach einem gelutschten Drops aus (8:19). Aus dem vergangenen Spiel der Vorwoche, in dem wir einen 8 Tore Rückstand wieder egalisieren konnten, wissen wir, dass wir durchaus in der Lage sind, so einen Rückstand auch mal aufzuholen. Aber wohl nicht heute… Das Minus von 11 Toren wurde dann auch mit in die Halbzeit genommen (11:22).
Zur Pause durften die Teams dann mal kurz verschnaufen und bei Bocki und Bier in gedimmter Atmosphäre blieb genügend Zeit für den Austausch der
#5: die Handball-Experten: egal ob das 11 Uhr Spiel der Regionsliga oder die Verbandsliga -Partie zur Prime-Time: Mit der Kompetenz und Sympathie eines Stefan Kraus-Hens im besseren Fall oder mit der Devianz des pöbelnden Gesindels nach nem Kasten und 3 Rohren im schlechteren Fall wird da analysiert und kommentiert, was das Zeug hält. Fazit zur 1. Halbzeit: Das kann doch nicht sein! Also nö, so nicht! Mädels, das geht besser. Wir wissen das. Wir sehen das. Zieht’s halt endlich mal durch!
Auch die Trainer-Bande fand in der Kabine deutliche Worte, versuchte unsere Fehler abzustellen und schlug vor dem Riesaer Angriff mit einer 4:2 Abwehr den Zahn zu ziehen. Nun ja, was soll ich an dieser Stelle sagen...Auch in der 2. Halbzeit wollte der Groschen nicht so recht fallen. Wir vergaßen immer wieder unsere Angriffe richtig fertig zu spielen, oft fehlte ein weiterer Schritt hinein ins gegnerische Abwehrbollwerk und neben den von Riesa mit schnellen Gegentreffern gnadenlos bestraften Fehlern vorn, fädelten die Gegnerinnen von allen Positionen in die Ösen der Elfen-Abwehr ein. Auch das persönliche Begleiten der Anführerin der Torschützenliste (J. Hessel) über weite Teile des Spiels konnte sie nicht davon abhalten, ganze 13 Buden zu machen. Ein durchgehend stabiler Rückhalt durch beide Torhüterinnen und schöne Aktionen durch Egle und Lisa im 1:1 oder auch Liesel im 1 gegen ließen zwischenzeitlich die Hoffnung aufflammen, doch noch die Kurve zu kriegen. Aber am Ende machte sich die Uneingespieltheit des zusammengewürfelten Kaders bemerkbar und so mussten wir uns deutlich mit 14 Toren den Gästen aus Riesa geschlagen geben (22:36).
>In Anbetracht der heute auf die Platte gebrachten Leistung geht das auch völlig in Ordnung< höre ich da aus einem Gespräch mit einem gewissen H.H., der personifizierten Handballerfahrung, heraus. Und wer will einem Anhänger der #6 schon widersprechen...
#6: die Stammesältesten: sie wissen schon seit langer Zeit, wie der Hase läuft. Die Hohlfeld-Brüder haben sie schon im Kindersport trainiert. Sie kennen jede Tormasche persönlich, erlebten den heutigen Lokschuppen noch als größte Handballspielstätte Dresdens (mal ehrlich: ihr müsst mir mal erklären wie hier 1500 und mehr Zuschauer rein gepasst haben sollen) und begleiteten die Entwicklung zum heutigen schillernden Prachtbau quasi von Hand.
Bei seinen Mannen im Anschluss lief es auch auf jeden Fall besser. Der letzte Heimspieltag 2024 ist damit nun Geschichte. Jetzt können alle erst mal ihre geschundenen Körper kurieren, durchatmen und das Feuer neu entfachen. Man munkelt es soll bereits am Sonntag schon wieder bei den Elfen gelodert haben. Aber wer wuselt denn hier im Lok-Schuppen immer noch rum, räumt, ackert, malocht?
#7: die Organisatoren: Sie schreiben Einsatzpläne für die Heimspieltage und die 20. Erinnerungsnachricht für die allseits beliebte Hallenbodenreinigung, können mal eben kurz aus zig Abdeckplanen, Kabelbinder, alten Metallrohren und ner 50m-Schnur ein Balliercup-Party-Zelt für 200 Personen bauen, schweißen unverwechselbare Eisenbahnschienen-Pokale zusammen und sorgen stets mit Leib und Seele für Leib und Seele aller Beteiligten. Unter 2 durchgerödelten Nächten pro Event machen sie es nicht. Eben stellen sie die nächstes Wochenende anstehende vereinsinterne Weihnachtsfeier auf die Beine, wo der Vorhang für Nummer 8 aufgeht.
#8: die Entertainer: seit sie die Tanzschritte für "Ich fühl mich Disco" drauf haben, ist ihre Welt nicht mehr dieselbe. Die Outfits sind mit dem Thema >unübersehbar< ausgewählt, die Dancemoves ein Spiegel ihrer verirrten Seelen und ihr Gesang ist schräg, aber irgendwie auch unwiederstehlich. Und dafür lieben wir sie. Wir sehen uns Samstag auf dem Dancefloor.
Das ist sie: Unsere Handball-Familie. Die geht in nur eine Schublade und zwar eine, die groß genug ist für uns alle und noch viele mehr. Aus Echtholz geschnitzt und ganz bunt dekoriert. Vielleicht riecht sie ein bisschen muffig, weil die getragenen Leibchen wieder einmal einfach nur zurück gestopft wurden. Aber eins ist gut lesbar vorn dran gestickert: from Handball-Familie with Love
In diesem Sinne: frohe Weihnachten und bis zum nächsten Jahr!
Für die Elfen riefen gemeinsam: „Es gibt nur ein Gas...äh...TEAM“ : Kerstin und Elisa (beide Tor), Lisa (4), Steph, Ramona, Sylvie, Magda (2), Anna, Liesel (5), Egle (10/3), Anja, Resi, Kyra (1) sowie Dave und Vivi mit Jana und Caro auf der Bank